Hinter den Kulissen
Walter Deibler, Oberbilleteur des Wiener Musikvereins, steht wie ein Fels in der Brandung. Über der Wiener Innenstadt geht ein gewaltiger Platzregen nieder, innerhalb kürzester Zeit strömen zwei- bis dreitausend Menschen mit Schirmen und triefenden Mänteln in die Foyers des Musikvereins – für das Personal an sich schon eine Herausforderung –, aber heute Abend geht darüber hinaus noch einiges schief: Eine Besucherin im Rollstuhl hat eine Karte für einen nicht rollstuhltauglichen Platz erworben, zwei kostenbewusste Besucher weigern sich, die Garderobegebühr in Höhe von 1,70 Euro zu entrichten und beginnen im Foyer mit der Garderobiere zu streiten, ein Abonnenten-Ehepaar steht ohne Tickets vor dem Eingang zum Großen Musikvereinssaal – die Herrschaften haben die Karten zu Hause vergessen.Walter Deibler ficht das alles nicht an. Mit grandseigneurhafter Gelassenheit sorgt er dafür, dass innerhalb weniger Minuten alles wieder ins Lot kommt: Die Liszt-Liebhaberin im Rollstuhl wird umplatziert, das Abonnentenpaar erhält anstandslos Ersatztickets ausgedruckt und die nörglerischen Konzertbesucher im Garderobebereich beschwichtigt Deibler mit einer Langmut, für die ihn Mahatma Gandhi beneidet hätte.
„Ich würde schon sagen, dass ich hier eine Art Traumberuf ausübe“, erklärt Walter Deibler: „Ich habe in diesem Haus Leute kennengelernt, die man als Normalsterblicher sonst nicht kennenlernt.“ Cecilia Bartoli, Nikolaus Harnoncourt, Seiji Ozawa, Riccardo Muti, Anna Netrebko – Deibler kannte und kennt sie alle, die Zelebritäten der Klassikwelt, die sich im Musikverein gewohnheitsmäßig die Klinke in die Hand geben.