Die Donau – Lebensader der Kultur
Auf 350 Flusskilometern hat die Donau in Österreich eine der schönsten Kulturlandschaften Europas geschaffen. Zwischen Passau und Bratislava fließt sie durch Oberösterreich, Niederösterreich und Wien.
Zwischen 1900 und 1990 geborene Amerikanerinnen und Amerikaner wissen, wo sie waren, als sie vom Tod von Bambis Mutter erfuhren.
71 quälende Sekunden – gefühlte Stunden – zwischen Hoffnung und Verzweiflung vergehen, bis Bambis Vater in tiefer, ruhiger, sonorer Stimme bestätigt, was man seit dem Fallen des Schusses befürchtete, ahnte und eigentlich wusste: „Your mother can’t be with you anymore …“
Ein gemeinschaftliches Trauma, das seit 1943 drei Generationen und zahlreiche Menschen auf der ganzen Welt auf der Leinwand und im Fernsehen verfolgt.
Ein Moment im Leben von Millionen Menschen, in dem die Welt Bambis ihre kindliche Unschuld verliert – zum allerletzten Mal sieht man Bambi als Kind – und die oft grausame Welt der Erwachsenen sie willkommen heißt: eine Initiationszeremonie im medialen Zeitalter.
Kaum jemand weiß allerdings, dass Bambis Romanvorbild ein österreichisches Reh (eigentlich ein Hirsch) aus den Donau-Auen bei Stockerau, 20 Kilometer nördlich von Wien, war. Dessen Leben wurde in der „Lebensgeschichte aus dem Walde“ vom Wiener Felix Salten, der in diesen Auwäldern sein Jagdrevier hatte, verewigt.
In Saltens Roman wurde seit dessen Erscheinen 1923 viel hineininterpretiert. Es wäre eine Parabel zum Massenmord des 1. Weltkriegs, gar eine verklausulierte Erotikgeschichte oder eben die Verurteilung des technikgläubigen Menschen, der das natürliche Gleichgewicht zerstört, indem er den Wald in Beschlag nimmt.
Und so wäre er bereits vor 100 Jahren ein Frühwarner gewesen, um die Zerstörung der Erde durch die Menschen zu verhindern; ein geistiger Vorfahre von Greta Thunberg.
Felix Salten hat sich auf seinen langen Spaziergängen durch sein Jagdrevier in der Stockerauer Au bei Zögersdorf und in der Nachbarschaft seines Hauses im gutbürgerlichen Wiener Cottageviertel mit seinem Blick auf die damals noch unendlichen Weiten des Wienerwalds inspirieren lassen.
Es scheint daher, dass Felix Salten einfach aufzeichnete und in seinem unverklärten Realismus eines gelernten Journalisten wiedergab, was er während seiner stundenlangen Spaziergänge und beim Warten auf der Pirsch in den Donau-Auen gesehen, erlebt und im Dickicht vermutet hatte.
Eine Art Kriegsberichterstatter des ewigen Überlebenskampfes der Arten.
Ich wollte meine Leser von dem Irrtum befreien, die Natur sei ein sonniges Paradies.
Eigentlich das Gegenteil dessen, was Disneys Team später aus und um Bambi herum zeichnete. Schlimmer noch! Laut Felix Saltens eigenen Angaben kann es sogar sein, dass er im echten Leben der Jäger war, der Bambis Mutter erlegte!
„Bambi wäre niemals entstanden, hätte ich nicht meine Kugel auf das Haupt eines Rehbocks oder Elches gefeuert“, räumte Salten offen ein und bekannte später unverblümt, er habe wohl zahlreiche Eltern von Bambis im Laufe seines Lebens erlegt.
100 Jahre nach dem Erscheinen des Romans ist das Wiener Cottage – das der Wiener fälschlicherweise französisch mit der Betonung auf dem Ä in die Länge zieht: „das Gottäääsch“ also – noch immer ein verschlafener Stadtteil inmitten zweier nobler Vorortbezirke. Die Villen sind die teuersten Wiens geworden, die Botschaftsresidenzen und noch immer zahlreiche Künstlerinnen und Künstler beherbergen.
Die Zeit scheint seit damals stillgestanden zu sein, wenn man – ausgehend von Saltens Villa in der Cottagegasse 37 – durch die Gassen flaniert, durch den Türkenschanzpark spaziert und im von Otto Wagner erbauten „Salettl“ – Wienerisch für Pavillon – auf einen Kaffee einkehrt, um den Ausblick auf den Wienerwald zu genießen.
Beinahe könnte man glauben, dass Bambi aus den Büschen des Türkenschanzparks springt.
Tatsächlich springen Bambis Nachkommen einem noch heute in der Stockerauer Au, in der Salten sein Jagdrevier besaß, entgegen. Die Aulandschaft ist unberührt geblieben und hat sich in den vergangenen 100 Jahren nicht verändert. Fauna und Flora konnten sich frei entfalten, die Donauarme ihren Lauf nehmen.
Die Natur ist vom Menschen nicht zerstört worden, wovor uns Salten in „Bambi“ scheinbar warnen wollte.
Ein Stück unberührter und unverklärter „heiler“ Natur, 20 Fahrtminuten von Wien entfernt.
Naturfreunde sind in Wahrheit Naturfremde. Sie haben keine Ahnung von der täglichen Gewalt in der Wildnis.
Das Cottageviertel, den Türkenschanzpark und das „Salettl“ erreicht man innerhalb von 15 Minuten mit der Buslinie 40A, dessen Endstation am Schottentor in der Innenstadt liegt.
Am besten, man schwingt sich beim Bahnhof Stockerau auf ein Rad und fährt in die Au, um den Hirschweg zu erkunden.
Wenn die Duschszene in Psycho der Schocker der sechziger Jahre gewesen ist, und für mich ist das so, dann war das Äquivalent der gesamten vierziger Jahre die Szene, als Bambis Mutter stirbt. Und dann der Satz: ,Der Mensch hat den Wald betreten‘.
Auf 350 Flusskilometern hat die Donau in Österreich eine der schönsten Kulturlandschaften Europas geschaffen. Zwischen Passau und Bratislava fließt sie durch Oberösterreich, Niederösterreich und Wien.
Die streng geschützten Nationalparks und Naturparks Österreichs sind für Besucher*innen zugänglich.