Sehnsucht nach dem Erdigen: Die Welt der Kräuter
Was ist so faszinierend an der Kräuterwelt? Welche Rolle spielen Kräuter für Genuss und Wohlgefühl? Und was können wir von der Natur lernen? Ein Gespräch mit Kräuterexpertin Andrea Rieder.
Der Zeit ihre Kräuter, den Kräutern ihre Bedeutung. So oder ähnlich könnte das berühmte Zitat über die Kunst abgewandelt werden, wenn es um die kostbaren Pflänzchen geht. So verballhornt das Wortspiel auf den ersten Blick klingen mag – Kräuter sonnten sich tatsächlich zu unterschiedlichen Epochen in völlig unterschiedlicher Prominenz. Schon auf 6.000 Jahre alten Keilschrifttafeln waren die grünen Alleskönner erstmals eine Erwähnung wert. Im Mittelalter wurde sogar verfolgt, wer sich allzu gut auf die Zubereitung von heilenden Kräutersubstanzen verstand. Und die Küche unserer Zeit hat sie in vollem Hype vor gar nicht allzu langer Zeit wiederentdeckt. Zurück zu den Wurzeln, im wahrsten Sinn des Wortes, hieß es da für Küche, Apotheke und Kosmetik.
Was aber ist eigentlich das Magische an der Kräuterwelt? Wir haben Andrea Rieder gefragt, Kräuterexpertin mit Leib und Seele, aus dem Salzburger Pinzgau und Hüterin des Kräutergartens in Hollersbach.
„Welche Stolpersteine auch am Lebensweg liegen – raus in die Natur. Es wird besser!“
Von der Natur lernen
Andrea Rieder spricht am Telefon zu Beginn mit leisem, zurückhaltendem Ton. Doch je tiefer sie ins Dickicht der Kräuterwelt eintaucht, desto leidenschaftlicher wird ihre Stimme. Fast poetisch zieht sie Parallelen zwischen den heilsamen Pflanzen und dem menschlichen Rhythmus. „Das Leben!“, lautet die spontane Antwort auf die Frage, was wir von der Natur denn lernen könnten. „Pflanzen brauchen Zeit zum Gedeihen – und vor allem brauchen sie Ruhephasen. Wenn die Tage kürzer werden im Herbst und im Winter, sollten wir uns auch einen ruhigeren Rhythmus erlauben. Und im Frühjahr stechen die Kräuter dann prall und kräftig durch die Erde und entfalten sich wieder.“
Ein passendes Bild – angesichts des rastlosen Kreislaufs, dem sich viele Menschen ausliefern und der oft das ganze Jahr über andauert. Kraft sammeln im Rückzug, um dann wieder aufzublühen. So logisch dieser Rhythmus bei Pflanzen klingt, so schwer tun wir uns, ihn selbst zu leben.
7 Tipps für Kräuter-Restaurants
Ob wild oder aus dem Garten: Die feine Kräuterküche
Seit es die Gundelrebe bis in die höchsten Gourmetkreise geschafft hat, Brennnesseln als Salat gefeiert werden und Vogelmiere vom Unkraut zum aromatischen Geschmackserlebnis aufgestiegen ist, bekennen Österreichs Feinschmecker: Wir sind wild nach Wildkräutern! Kochen mit den unscheinbaren Pflanzen, die am Wegesrand wachsen, ist wohl die ursprünglichste Art, Speisen unverfälscht zuzubereiten – ideal für eine natürliche, authentische und gesunde Küche, die sich in Österreich in den letzten Jahren etabliert hat. Kräuter spielen dabei eine wichtige Rolle.
Übrigens übertrumpfen Wildkräuter ihre gezüchteten Artgenossen in Beet, Gewächshaus oder Topf, wenn es um Intensität und Würzigkeit geht. Der Grund: Wildkräuter kämpfen gegen die raue Natur und bilden ihre Widerstandsfähigkeit aus. Das Ergebnis sind ein besonders intensiver Geschmack, ein starkes Aroma und ein verschwenderischer Reichtum an Vitaminen. Zusätzlicher Bonus: Eine saisonale Küche ergibt sich von selbst – geerntet und gepflückt wird, was gerade auf Wiesen, am Bach oder im Wald wächst. Höchste Wildkräuter-Kundigkeit unter den Köchen versteht sich von selbst.
„Es gelingt immer besser, auf die Umwelt zu schauen. Ich bin begeistert von der Jugend. Vor allem den jungen Familien ist die Natur ein großes Anliegen.“
Mini-Kräuterlehre
„Für mich ist der Wald der beste Psychiater.“
„Der Mensch braucht die Welt. Aber die Welt braucht nicht den Menschen. Wir haben die Pflicht, darauf zu schauen!“
Kräuter-Neulinge, beachtet bitte: Kräuter müssen (weil meist hochwirksam) immer richtig dosiert werden. Zu viel der Kräuter beispielsweise im Tee kann die Nieren belasten. Schwangere sollten immer ihren Arzt zu Rate ziehen, sofern sie individuelle Kräuteranwendungen planen.