Georgs Lieblingsplatz
Wenn Georg Gilli mal Ruhe braucht, wandert er zu den Kogelsteinen in Grafenberg.
Wanderwege im WeinviertelGeorg Gilli hat die ganze Welt bereist, um dann wieder in seine Heimat zurückzukehren: ins Weinviertel, rund 75 Kilometer nördlich von Wien. Dort betreibt er eine Ölmühle. Und seine Hommage an diese Region: feinstes Öl. Habt ihr Lust, das Öl zu probieren? Für euren Genussurlaub im Weinviertel gibt’s hier Ausflugs- und Übernachtungstipps.
„Es kommt häufig vor, dass mich Leute erst nach einer zweistündigen Tour durch die Mühle fragen, wofür aÖ denn eigentlich steht“, lacht Georg Gilli.
„Wenn man es dann laut ausspricht, verstehen es auch die, die mit dem Waldviertler-Dialekt nicht vertraut sind. Es ist ,ein Öl‘, eben ,a Ö‘.“ Und zwar nicht irgendeins, sondern das Bio-Öl, das der junge Vater dreier Töchter (5, 3, 1) in den Gemäuern der alten Gilli Mühle seit 2013 selbst herstellt.
„aÖ“ – mit diesem Namen, der regionaler nicht sein könnte, weist schon das Etikett darauf hin, was drin ist: nämlich Niederösterreich, genauer das Weinviertel. Und zwar Saatgut aus der direkten Umgebung rund um Georg Gillis Heimatort Eggenburg in Niederösterreich, ganz in der Nähe von Wien.
„Alle Zutaten für meine Öle kommen von regionalen Bauern in maximal 30 Kilometer Entfernung“, berichtet Georg Gilli stolz. „Nur so kann ich Impulse in der Region setzen und ein Produkt verkaufen, hinter dem ich zu 100 Prozent stehe.“
Vor 15 Jahren war er noch ein junger Wilder, der erst einmal die Welt kennenlernen wollte. Nach seinem Abschluss in Betriebswirtschaft bereiste Georg Gilli mit dem Surfbrett die schönsten Hotspots.
Das bescherte ihm nicht nur unzählige Stunden auf dem Surfbrett, sondern auch Erkenntnisse über die Heimat. „Auf den Philippinen gibt’s keine Jahreszeiten“, erzählt der Waldviertler, „ich kann mich aber nur auf den Sommer freuen, wenn ich auch den Winter kenne.“
Auch die vermeintliche Leichtigkeit des Lebens hat er dort kennengelernt: „Die Menschen arbeiten, wenn sie Lust haben, klettern auf eine Palme und holen sich eine Kokosnuss herunter, wenn sie Durst haben.“ Mit Buch, Handtuch, Surfbrett und ohne Verpflichtungen zum Strand – so sah für einige Monate sein Leben aus.
„Beim Reisen erlebt man die schönsten Momente, wird aber auch mit Herausforderungen konfrontiert. Man muss alleine klarkommen.“ Georg Gilli kam reifer wieder zurück. Aber ins Weinviertel zog ihn erstmal immer noch nichts.
Vor der Idee zur eigenen Ölmühle stand zunächst eine handfeste Krise. Als Sohn eines Getreidemüllers hatte Georg Gilli eigentlich nie vorgehabt, diesen Beruf zu ergreifen – selbst sein Vater riet ihm damals davon ab. Gilli arbeitete zu dieser Zeit als Projektmanager in Amstetten. „Dann bat mein Vater mich, doch wieder zurückzukommen. Aber was sollte ich im Weinviertel tun?“
Wie es der Zufall wollte, kam genau zu diesem Zeitpunkt ein Bekannter auf ihn zu, der mit ihm Sonnenblumenöl im großen Stil produzieren wollte. Kurz vor der Zusage hatte Georg Gilli dann doch Zweifel: „Ich hab das alles durchgerechnet, aber da hätte ich nur draufgezahlt. Außerdem passte das überhaupt nicht zu mir. Das war nicht ich.“
Er fiel in eine „Ölkrise“, wie es sein Vater beschreibt. „Zwei Wochen lang war ich total frustriert. Ich wollte im Weinviertel bleiben, aber ich brauchte eine Aufgabe und einen Job. Das konnte ich so nicht auf mir sitzen lassen.“ Kurzerhand schnappte sich Georg Gilli seine Unterlagen aus dem Studium und schloss sich für einen Tag in die 460 Jahre alte Mühle der Familie ein.
Hier machte er mit sich selbst einen Strategieworkshop und stellte seine Ergebnisse leicht nervös zwei der wichtigsten Frauen seines Lebens vor: seiner Schwester und seiner Frau. Die beiden waren begeistert. Das war die Geburtsstunde von „aÖ – Iss Dialekt“.
Heute produziert Georg Gilli sechs verschiedene Öle: die Klassiker Sonnenblumenöl, Kürbiskernöl und Färberdistelöl und ausgefallenere aus Lein, Leindotter und Hanf. „Leindotter zum Beispiel ist eine wahre Geschmacksbombe: Es schmeckt nach grüner Erbse oder Spargel und im Abgang eher nussig. Früher galt es als unerwünschtes Unkraut im Leinfeld. Aber das Bio-Öl peppt besonders kalte Gerichte wie Aufstriche oder Salat auf“, verrät der Ölmüller.
In kleinen Läden in Niederösterreich und Wien, die Produkte aus Österreich verkaufen, stehen nun auch seine kaltgepressten Bio-Öle im Regal. „Kaltgepresst bedeutet, dass keine Wärme von außen zugeführt werden darf bei der Pressung. So schont man die Inhaltsstoffe“, erklärt Georg Gilli. Außerdem ist der Eggenburger auf Märkten und Veranstaltungen mit seinem Kürbiskernöl und Co. unterwegs und steht für Verkostungen selbst am Verkaufsstand.
Georg Gilli hält mit seiner Öl-Produktion klare Qualitätskriterien ein und bezieht das Saatgut aus Österreich. Deshalb ist sein Betrieb mit dem Gütesiegel AMA GENUSS REGION zertifiziert.
Als Ein-Mann-Unternehmer ist er Einkäufer, Produzent, Vertriebler, Marketingmanager und Geschäftsführer in einem: „Ich hab’ zwar kurze Kommunikationswege“, lacht er, „aber natürlich auch viel zu tun. Ich könnte in weniger Zeit in einem einzigen Job viel mehr verdienen. Aber darum geht es mir nicht.“ Den unbeschwerten Surfer trägt er immer noch im Herzen.
... kaltgepresstes Öl nicht erhitzt werden sollte? So bleiben die guten Inhaltsstoffe erhalten.
... Kürbiskernöl aus den gerösteten Samen von Kürbissen hergestellt wird? In Österreich wird es besonders gerne als Salatöl oder zur Kürbissuppe gegessen.
... Öl schneller ranzig wird, wenn es dem Tageslicht ausgesetzt ist? Deshalb wird gutes Öl wie Kürbiskernöl oft in dunkle Flaschen abgefüllt.
... in Europa sehr viel Raps- und Sonnenblumenöl hergestellt wird? Die Pflanzen sind sehr ertragreich.
... Leinöl besonders viele gute Fettsäuren wie Omega 3 und 6 enthält? Es ist deshalb ein sehr hochwertiges Lebensmittel.
Seither weiß er, warum er nach Eggenburg zurückgekehrt ist: „Wenn ich aus der Mühle rauskomme, bin ich sofort bei meinen Mädels, sehe sie spielen und bin ganz nah an meiner Familie.“ Er kann sich nicht vorstellen, seine Töchter in einer Großstadt wie Wien aufwachsen zu sehen.
„Hier in Eggenburg hab ich meine Kindheit verbracht, war mit meinen Cousins und Cousinen und immer draußen unterwegs. Wir haben damals schon in der alten Mühle gespielt, obwohl wir es nicht durften“, schmunzelt er.
Genau das wünscht er sich auch für seine drei Kinder. „Ich möchte jetzt ein solides Fundament legen. Vielleicht übernimmt dann auch eine meiner Töchter das Unternehmen. Aber wer bin ich, dass ich ihnen das vorschreiben könnte?“ Trotzdem leuchten seine Augen: „Wenn in 460 Jahren die Mühle noch in Familienbesitz ist, hab ich alles richtig gemacht.“
Georg Gillis Urgroßvater hat die Mühle vor über 90 Jahren gekauft und renoviert. Sie wurde bis 2004 für die Mehlherstellung genutzt, doch dann brannte sie ab. „Danach blieb sie zwar ein Familienmitglied“, wie Gilli sie liebevoll beschreibt, „doch sie wurde nicht mehr genutzt.“ Rund zehn Jahre später machte Georg Gilli aus dem geschichtsträchtigen Gebäude ein Museum. Er selbst führt seine Besucher durch die Gilli Mühle und berichtet über das Getreidehandwerk und die Geschichte der Mühle.
Im Inneren steht heute die Ölmühle, die wesentlich kleiner ist als eine Getreidemühle. Georg Gilli kaufte sie gebraucht und ließ sich vom Vorbesitzer die wichtigsten Arbeitsschritte erklären. Aber die Grundlagen reichten nicht für ein Bio-Öl, wie Georg Gilli es produzieren wollte: „Die Ölmüllerei ist kein Ausbildungsberuf. Ich hab deshalb viel experimentiert. Für mich war immer klar: Ich möchte etwas selbst produzieren – aus der Region, für die Region.“
Heute arbeitet er mit Bauern zusammen, mit denen die Familie schon vor mehreren Generationen Partnerschaften eingegangen ist. „Es ist schon beeindruckend, wie viele Hände und Arbeitsschritte für eine kleine Flasche Öl nötig sind.“ Sein Öl kann Georg Gilli aber nur in der Qualität, die für ihn passt, produzieren, wenn er gute Samen bekommt.
„Eine Freundin sagte mal: Shit in, Shit out“, lacht er. „Das trifft es eigentlich ganz gut, denn ich lege besonderen Wert auf die Auswahl der Saat.“ Bei der Herstellung qualitativer Speiseöle geht es aber nicht nur um den Inhalt, sondern auch um Handwerk, Geduld, Leidenschaft, Nachhaltigkeit und Regionalität.
Besonders stolz ist Georg Gilli auf den Ötztal-Lein in Demeterqualität, eine alte Sorte, die ein befreundeter Bauer produziert. „Leinöl ist mein Frühstücksöl. Es steht immer auf dem Tisch. Passt zu Müsli, Joghurt oder Smoothy. Es schmeckt würzig und grün.“
Auch wenn Georg Gilli der erste Ölmüller in einer Getreidemüller-Dynastie ist, sind das alte Handwerk, die Region und die Arbeit der Generationen für ihn wichtig, um daraus etwas Neues zu schaffen. •