Wiener Tanz damals und heute
Wien ist weltweit bekannt für seine großen Komponisten, in Wien wird aber auch getanzt. Schon in den ersten Minuten des Jahres wird mit einem Wiener Walzer das neue Jahr eingeläutet. Bereits zur Tradition geworden sind auch moderne Tanzfestivals wie ImPulsTanz. Fest steht: Wien hat auch für Tanzliebhaber einiges zu bieten.
Wer in Wien nach dem wichtigsten Protagonisten der Wiener Walzermusik fragt, wird ohne Zögern zur Antwort bekommen: Johann Strauss Sohn. Als Walzerkönig ging er in die Musikgeschichte ein.
Mit dem Ableben von Beethoven und Schubert begann eine neue Epoche des Wiener Musiklebens. Diese war mit viel Schwung verbunden, und der ging wiederum von der Strauss-Dynastie aus. Johann („Schani“ genannt) Strauss komponierte seinen ersten Walzer mit sechs Jahren, und nach der Ablöse seines Vaters als Orchesterdirektor der eigenen Kapelle war sein Erfolg auch außerhalb Wiens nicht mehr zu bremsen. Ab 1863 leitete er alle Hofbälle, eine neue Ära der Wiener Tanzgeschichte begann. Aber was hat es auf sich mit dem Wiener Walzer, der 2017 zum Immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO erklärt wurde? Ausgehend von einem der ältesten modernen bürgerlichen Gesellschaftstänze, war der Wiener Walzer bis zum Wiener Kongress (1815) in hohen Kreisen nicht zugelassen und galt als unschicklich. Viel später erst, durch das aufstrebende Bürgertum, das Öffnen der Salons für die schönen Künste, das Etablieren der Hofbälle und das neue Wien, welches die alten Stadtmauern niederriss, wurden die Weichen für eine neue schwungvolle Epoche gestellt: die Gründerzeit.
Ab dem 19. Jahrhundert war der Walzer das Herzstück jeder Wiener Operette. Die berühmteste Operette von Strauss, die „Fledermaus“, wurde 1874 im Theater an der Wien uraufgeführt, und bis zum heutigen Tag ist sie die einzige Operette, die auch an der Wiener Staatsoper gespielt wird. Das „Walzen“ und das „Von-sich-Drehen“ war der Ausdruck gesellschaftlicher Umbruchstimmungen in der Donaumonarchie, die der Walzerkönig Johann Strauss auf seinen Tourneen durch ganz Europa mit lebensfrohen Klängen einem begeisterten Publikum näherbrachte. Der Wiener Walzer wurde auch die „Marseillaise des Herzens“ (Zitat Eduard Hanslick) und Strauss der „Napoleón autrichien“ (Zitat Heinrich Laube) genannt. Richard Wagner sagte über Johann Strauss: „Johann Strauss ist der musikalische Schädel der Gegenwart …“
Johann Strauss junior war dreimal verheiratet, und alle drei Ehen blieben kinderlos. 1899 verstarb Johann Strauss in Wien an einer Lungenentzündung. Das Trauerkondukt führte an seinen Wirkungsstätten – dem Theater an der Wien, der Hofoper (Staatsoper) und dem Musikverein – vorbei bis zur letzten Ruhestätte am Wiener Zentralfriedhof. Die „Neue Freie Wiener Presse“ berichtete von vielen namhaften Künstlerkollegen, die am Trauerzug teilnahmen, unter ihnen Ludwig Bösendorfer, Gustav Mahler und Hermann Bahr. Strauss’ Vermächtnis: mehr als 500 Walzer, Quadrillen, Märsche und Polkas, ein Ballettstück und 15 Operetten. Die Musik des Walzerkönigs wurde in Wien unsterblich und ist heute in der Stadt allgegenwärtig. Die Wiener Operette wird nun vor allem in der Wiener Volksoper aufgeführt. Über 300 Bälle stehen jedes Jahr auf dem Wiener Ballkalender, und viele Wiener Tanzschulen lehren das „Walzen“ über das Parkett im Dreivierteltakt, so als ob „Schani“ selbst den Taktstock führen würde.
In der Geschichte der Menschheit wurde immer getanzt, so wichtig ist der Tanz.

Zeitgenössische Choreografie
Nicht alles dreht sich nur im Dreivierteltakt in Wien. Namhafte Tanzfestivals wie „ImPulsTanz“ oder das „Tanzquartier“ im MuseumsQuartier und moderne Tanzinstitutionen haben schon seit einigen Dekaden ihren festen Platz im Wiener Kulturleben. Dazu gehört auch das Wiener Staatsballett, welches in der Staatsoper und Volksoper auftritt und weltweiten Ruhm genießt.
Das Wiener Staatsballett
Kinderträume erzählen oft von einer Primaballerina und romantischen Tanzgeschichten. Diesen Traum kann man real und in absoluter Perfektion in den Vorstellungen des Wiener Staatsballetts erleben. 103 Tänzerinnen und Tänzer gehören dieser weltbekannten und renommierten Tanzinstitution an: Das Wiener Staatsballett tanzt und probt auf ihren zwei Heimatbühnen – der Wiener Staatsoper und der Wiener Volksoper – und tourt mit Gastspielen durch die ganze Welt. Das Repertoire reicht von abendfüllenden, klassischen Ballettaufführungen in ihren Stammhäusern bis zu avantgardistischen Meisterwerken, Musicaltanz, Operettentanz sowie Tanzeinlagen beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker und beim Wiener Opernball.
„Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“ An diesem Zitat von Gustav Mahler orientiert sich Martin Schläpfer, einer der besten Choreografen und Ballettdirektoren unserer Zeit. Seit 2020 leitet er das Wiener Staatsballett. Er versucht mit mutigen, stilprägenden Choreografien klassischer Ballettstücke dem Tanz eine moderne Stoßrichtung zu geben. Der gebürtige Schweizer überrascht auf der einen Seite mit zwei Uraufführungen im Spitzentanz zu Gustav Mahlers 4. Symphonie und Dmitri Schostakowitschs 15. Symphonie und erfreut zugleich sein Publikum mit den klassischen und weltbekannten Ballettaufführungen wie „Giselle“, „Schwanensee“, „Peter Pan“ und „Coppélia“, die auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper stehen und bestens dafür geeignet sind, romantische Kinderträume zu erfüllen.
ImPulsTanz Festival
Dieses in Wien gegründete Festival zählt zu den größten Tanzevents Europas und bietet nicht nur einzigartige Vorstellungen, sondern auch eine Reihe von hochkarätigen Tanzworkshops, die mit ihrer internationalen Besetzung und der Förderung von Nachwuchstänzern Weltruf erlangt haben. Mehr als 250 Workshops decken jedes Jahr alle Facetten des Tanzes ab. Hervorgegangen ist das Festival aus den 1984 in Wien gegründeten Wiener Tanzwochen, seit 1990 werden nun unter dem Namen ImPulsTanz von Mitte Juli bis Mitte August viele Wiener Theaterbühnen, Museen, Studios und Kulturhallen von internationalen Stars der Tanzszene bespielt. Besonders aufregend und beliebt sind die seit 2001 ausgetragenen Outdoor-Veranstaltungen wie das Open-Air-Tanzevent im Haupthof des MuseumsQuartiers. ImPulsTanz zählt somit zu den weltgrößten und wichtigsten Festivals für zeitgenössischen Tanz und Choreografie.
Tanzquartier im MQ
Das Tanzquartier ist seit seiner Gründung 2001 der internationale Melting pot für zeitgenössische Choreografie und Performance und umfasst drei Tanzstudios, die Hallen E+G und eine eigene öffentliche Bibliothek im MuseumsQuartier, dem größten Museumsgelände Wiens. Das Tanzquartier scheut kein Risiko, zeigt Mut zum Experiment und bietet für Tanzschaffende, Tanzcompagnien und Künstler aus aller Welt eigene Tanzlabors und Trainingsräume, in denen neue, innovative Produktionen entstehen sollen. Wer sich mit den Werken des Tanzquartiers beschäftigen möchte, sollte einen Blick auf die mehr als 500 Performances in dessen eigener Online-Mediathek werfen. Im öffentlichen Theorie- und Medienzentrum mit besagter Mediathek können sich Künstler permanent über zeitgenössische Tanz- und Performance-Entwicklungen weiterbilden und aktiv am Geschehen teilnehmen.