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    • Emilie Flöge in einem Reformkleid und Gustav Klimt in seinem Malerkittel im Garten der Villa Oleander am Attersee, 1910
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    Emilie Flöge, die Mode-Revolutionärin und der Kuss

    Die Modeschöpferin Emilie Flöge war weit mehr als nur die Muse des berühmten österreichischen Malers: Sie war Mode-Revolutionärin und erfolgreiche Unternehmerin.

    Auf den Spuren von Emilie Flöge

    Haute Couture der Jahrhundertwende

    Der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard prägte den Begriff „Lebensmensch“. Ein solcher Lebensmensch muss auch die 1874 geborene Emilie Flöge einst für Gustav Klimt gewesen sein. Wer auf seinen Spuren wandelt, begegnet immer auch ihr. Zahlreiche Korrespondenzen und Fotografien von gemeinsamen Ausflügen und Sommerfrischen zeugen von einer lebenslang dauernden, mindestens freundschaftlichen und inspirierenden Zuneigung. Ob da je mehr gewesen ist, darüber wird viel spekuliert. Sowohl die Modeschöpferin Flöge als auch der Maler waren auf Diskretion bedacht. Klimt hatte mit zwei anderen Frauen beinahe gleichzeitig je einen Sohn – insgesamt soll er es auf 16 uneheliche Kinder gebracht haben – und Flöge blieb zeitlebens eine unabhängige, emanzipierte Unternehmerin. Mit ihren Schwestern Pauline und Helene gründete sie 1904 in Wien den Modesalon „Schwestern Flöge“ in der „Casa Piccola“ auf der Mariahilfer Straße 1b. Ein florierendes Atelier, das zu seinen erfolgreichsten Zeiten bis zu 80 Näherinnen beschäftigte und dessen Klientel dem gehobenen Bürgertum entstammte.

    Emilie Flöge und Gustav Klimt im Ruderboot vor der Villa Paulick, fotografiert von Emma Bacher, 1909
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    Mode für Mutige

    Nicht alle Damen, von denen sich die eine oder andere auch von Gustav Klimt porträtieren hatte lassen, entschieden sich vermutlich für die avantgardistischen Kreationen der Emilie Flöge. Sie ist es aber, die als der kreative Kopf des Ateliers weit mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als sie bisher in den vielen Jahrzehnten der Klimt-Forschung bekam. Ihr Modesalon war ein Paradeexemplar der Wiener Moderne: vom Label bis zur Einrichtung ein Gesamtkunstwerk, bei der Wiener Werkstätte und Koloman Moser und Josef Hoffmann in Auftrag gegeben. Emilie hatte sich neben ihren konventionellen Stücken der modischen und künstlerischen Ausgestaltung des bis dato wenig designorientierten Reformkleides entschieden, das die Frauen aus dem Korsett befreien sollte.

    Sie selbst trug die wallenden, bodenlangen Kleider konsequent und kombinierte sie gerne mit Schmuck der Wiener Werkstätte. „Selbst auf jenen berühmten Fotografien, die sie und Klimt auf einer Fahrt mit dem Motorboot am Attersee zeigen, trägt sie ihre Kleider und ist behängt mit Broschen und Ketten der Wiener Werkstätte. So hat sie am Land präsentiert, was sie in der Stadt gemacht hat“, schildert Sandra Tretter. Sie ist Geschäftsführerin der Klimt-Foundation, die sich auch der Erforschung der Wiener Modeschöpferin widmet.

    Während Klimt mit seinen Bildern unsterblich wurde, geriet Flöge, die 1952 starb, in Vergessenheit. Für die Ewigkeit festgehalten aber, wie Forscher*innen vermuten, ist sie selbst in Klimts berühmtestem Gemälde, dem „Kuss“. Auf dem evangelischen Friedhof in Wien-Simmering ist Flöge in einem Ehrengrab bestattet.

    Emilie und Pauline Flöge, Gustav Klimt, Hermann Flöge und Hermine Flöge im Motorboot am Attersee, 1905
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    Emilie Flöge: Stationen ihres Lebens

    Die magischen Orte der Inspiration

    1874 wird Emilie Flöge als letztes von vier Kindern geboren.

    1892 wird sie durch die Heirat ihrer Schwester Helene mit Gustav Klimts Bruder Ernst dessen Schwägerin.

    1895 erste bekannte Korrespondenz von Klimt mit Emilie Flöge.

    1897 gemeinsamer Sommeraufenthalt der Familien Klimt und Flöge in Fieberbrunn in Tirol.

    Von 1900 bis 1916 finden sich Gustav und Emilie regelmäßig zur Sommerfrische am Attersee ein: in Litzlberg am Attersee, in der Villa Paulick in Seewalchen, in der Villa Oleander in Kammer oder im Forsthaus in Weißenbach. Davon zeugen zahlreiche Fotos, auf denen Emilie in ihren avantgardistischen Reformkleidern zu sehen ist, ebenso wie die über 40 Landschaftsbilder von Klimt, die dort entstanden sind.

    Emilie Flöge im Reformkleid in Litzlberg am Attersee, fotografiert von Gustav Klimt, 1906
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    1904 Gründung des Modesalons „Schwestern Flöge“ gemeinsam mit Emilies Schwestern Helene und Pauline. Emilie ist der kreative Kopf, die Netzwerkerin und das Testimonial des Salons. Sie reist regelmäßig nach Paris, um von den Messen die neuesten Trends nach Wien zu bringen. Die Damen der Gesellschaft zählen zu ihren Kundinnen. Auch Klimt schickt einige seiner Kundinnen zu den Schwestern Flöge.

    Als Klimt 1918 stirbt, geht ein Teil seines Nachlasses an Emilie.

    1938 schließt Emilie ihren Salon für immer.

    1952 stirbt Emilie in Wien. Ihr Ehrengrab befindet sich am evangelischen Friedhof in Wien-Simmering.

    „Emilie Flöge war in jeder Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung am Anfang des 20. Jahrhunderts.“

    Obstgarten mit Rosen Gustav Klimt 1912 / Gustav Klimt Atelier
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    Sandra Geschäftsführerin der Klimt-Foundation

    Sandra Tretter im Gespräch

    Sandra Tretter, Geschäftsführerin der Klimt-Foundation, widmet sich mit ihrem Team nicht nur der Klimt-Forschung, sondern auch dem Werk und Leben der extravaganten Modeschöpferin Emilie Flöge.

    austria.info: Sie haben 2016 Emilie Flöge erstmals eine konzentrierte Ausstellung im damaligen Gustav-Klimt-Zentrum am Attersee gewidmet. Warum ist über Flöge so wenig bekannt?
    Sandra Tretter: Sie wurde in der Tat zu lange vernachlässigt. Selbst ihr Grab auf dem evangelischen Friedhof wurde erst 2006 von einem englischen Hobbyforscher und Flöge-Verehrer ausfindig gemacht, als das Friedhofsrecht bereits ein Jahr erloschen war. Zum Glück war es noch nicht aufgelassen worden und konnte in ein Ehrengrab umgewidmet werden. Ihre kunstvolle Mode war sehr gefragt und, ähnlich wie Klimts Bilder, ein künstlerisches, modisches Must-have.
    austria.info: Wo finden sich Werke von Emilie Flöge?
    Sandra Tretter: Es sind leider nur wenige Kleider von Flöge erhalten. Wir haben ein Badekleid, in das noch ein Originallabel eingenäht ist, das Wien Museum hat zwei Kleider in seinem Bestand. Ob Klimts Malerkittel auch ein Entwurf von Flöge ist, ist noch Gegenstand der Forschung. Ihre Kreationen und Schmuckstücke sind heute jedenfalls rare Begehrlichkeiten am Kunstmarkt.
    austria.info: Wo wandelt man am besten auf Flöges Spuren?
    Sandra Tretter: Auf jeden Fall am Attersee, wo Klimt und Flöge auf Sommerfrische waren. Zum Beispiel outdoor im Klimt-Garten oder entlang des Klimt-Themenweges, bei einer Schifffahrt am Nordufer des Attersees, die an der Villa Paulick und am neu errichteten Emilie-Flöge-Platz vorbeiführt, sowie am Bootshaus, das auf einer Porträtserie mit Klimt zu sehen ist.
    austria.info: Wie würden Sie Emilie Flöge beschreiben?
    Sandra Tretter: Sie war eine unabhängige, emanzipierte, gewinnorientierte Unternehmerin, sicherlich der kreative Kopf des Modesalons „Schwestern Flöge“. Eine professionelle Netzwerkerin, die sowohl ihre Verbindungen zur Wiener Werkstätte als auch ihre Verbindungen zu den Damen der Gesellschaft, die sich von Klimt porträtieren lassen wollten, zu nutzen wusste. In jeder Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung am Anfang des 20. Jahrhunderts.

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