1. Die unteren Isel-Strände – Tamarisken-Inselwelt zwischen Lienz und Huben
Gemütliche Au-Wäldchen voller Grauerlen säumen hier die Isel und geben dann und wann den Blick auf Strände, Schotterbänke und kleine Inseln frei.
Der optimale Weitwanderweg für Menschen, die eigentlich nie eine Mehrtagestour machen wollten...
Wandern gehen und dabei das gesamte Gepäck mitschleppen? Für viele Wanderer eine eher abschreckende Vorstellung. Doch gibt man Mehrtagestouren und Weitwandern erst einmal eine Chance, erliegt man schon bald ihrem Charme. Auf dem Weg von pittoresken Dörfern bis hin zu ursprünglichen Hütten erleben wir einfach mehr – mehr Landschaft, mehr Gastfreundschaft, mehr Abenteuer. Und irgendwie finden wir auf ganz ursprüngliche Weise zu uns, wenn wir alles, was wir brauchen, auf dem Rücken tragen.
Hier kommt der Iseltrail ins Spiel, ein Weitwanderweg in Osttirol, der 2020 eröffnet wurde. Entlang des gesamten Flusslaufes der Isel wandern wir von der Mündung in die Drau in Lienz bis zum Ursprung am Gletscher Umbalkees. In 5 Etappen erleben wir hier ganz verschiedene Welten: sonnige Talsohlen, malerische Dörfer, märchenhafte Wälder, atemberaubende Wasserfälle und nicht zuletzt arktische Gletscherlandschaften. Insbesondere die ersten drei Etappen sind dabei für die ganze Familie und auch für Einsteiger geeignet. Auch eine Option: Man legt in einem der malerischen Dörfer einen Pausentag ein und lernt Land und Leute noch besser kennen. Die beste Zeit für den Iseltrail? Von Mai bis September.
Ganz sanft gluckert die untere Isel an unserem Ausgangspunkt dahin: Lienz, Hauptstadt Osttirols, mittelalterliche Kleinstadt voller bunter Fassaden, die im direkten Gegensatz zu den schroffen Dolomiten im Hintergrund stehen.
Vom Bahnhof ausgehend schlendern wir durch die Straßen in Richtung des mittelalterlichen Schloss Bruck, das über der Stadt thront und mit seinen Türmen und Zinnen wie einer Kinderzeichnung entsprungen wirkt.
Wir lassen die Stadt hinter uns; und die Landschaft beginnt, sich zu verändern. Die ersten Inseln tauchen auf, bald schon Schotterbänke, ganz unerwartet gefolgt von Sandstränden, die dem Fluss hier streckenweise eine exotische Note verleihen.
Und dann zeigt uns die Isel noch ihre märchenhafte Seite – bei einem Abstecher in eine Waldschlucht, in der der Daberer Wasserfall über moosbewachsene Felsen rauscht. Wir kehren zurück ans Iselufer und begleiten den Fluss bis nach St. Johann im Walde, einem Ort mit 300 Einwohnern und einem roten Kirchturm. Hier schlagen wir – sprichwörtlich – unsere Zelte für die erste Übernachtung auf.
Privatunterkünfte in St. Johann im Walde:
Ein Morgen an der Isel ist ein guter Morgen: Wir verabschieden uns von unseren Gastgebern und verlassen das malerische St. Johann im Walde in Richtung Huben, vorbei am örtlichen Steinbruch. Und wieder zeigt uns die Isel ein neues Gesicht, durchbrochen von zahlreichen langgezogenen Inseln und in einem milchigen Blaugrün, das an den Cocktail im letzten Strandurlaub erinnert (hier allerdings weniger Blue Curacao als Schmelzwasser und Gesteinsabrieb). In Huben ist es dann Zeit für eine kleine Pause – im Café Landerl auf der Panoramaterrasse bewundern wir die Holzbalkone, die vor Blumen überquellen. Am Nachmittag wird das Tal schmäler und der Fluss wilder. Das ist nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören: Die ersten Felsblöcke sorgen für Rauschen und Tosen. Als es dämmert, erreichen wir Matrei, gelegen in einem weiten Talbecken und mit seinen 4.600 Einwohnern quasi eine Großstadt.
Und schon bricht Tag 3 an – wir fühlen uns beinahe als Experten im Weitwandern. Und keine Sekunde zu früh: Der heutige Tag wird uns fordern. Doch anfangs gibt uns der Iseltrail noch eine Gnadenfrist – und zwar eine wunderbar-waldige. Südlich des Flusses wandern wir entlang der Schattenseite des Tals durch dunkelgrüne Wälder, in denen man sich gleichzeitig ganz klein und ganz lebendig fühlt. Dann erblicken wir auf der anderen Seite das Bergdorf Virgen, wie aus einem Film entsprungen, rote Dächer vor kühnen Gipfeln. Unterhalb des Dorfes rauscht die Isel wild durch eine Waldschlucht, ein Bote dessen, was noch kommt: Die raue Iselschlucht einige Kilometer talaufwärts. Hier gibt es keine Wanderwege direkt am Fluss, nur ab und zu erhascht man einen kostbaren Blick auf die Klamm. Wir genießen die wilde Isel, und dann wieder die ruhige Isel, bis wir an unserer nächsten Station, Prägraten am Großvenediger, ankommen.
Heute, am vierten Tag unserer Reise, zeigt uns die Isel ihre dramatischste Seite. Es beginnt, wie so oft, ganz ruhig: Während des ersten Abschnitts plätschert und gurgelt die türkise Isel noch munter. Dann, der erste Moment, in dem uns der Atem stockt: In der Gloschlucht treten wir vorsichtig in eine Felskanzel hinaus und sehen das Wasser in weißen Bögen über die Felsen tosen, während die Gischt einen Regenbogen in die Luft zaubert. Wasserfall Nummer 2 ist der Strödener Wasserfall, erst nur von der Strödener Brücke aus als geheimnisvolle, abgelegene Naturschönheit sichtbar. Dann geht es vorbei an der Islitzeralm – auch als mittägliche Raststation mit Osttiroler Schlipfkrapfen und Kaiserschmarren geeignet – zu den Unteren und Oberen Umbalfällen. Und noch zu keinem Zeitpunkt zuvor hat während unserer Wanderung der Begriff „atemberaubend“ so sehr zugetroffen. Das Wasser tost hier in Reinweiß die Felsstufen hinunter – dank 30 Meter hoher Stahlkonstruktionen kommt man der Wasserwildnis hier so nahe wie selten und taucht komplett in den Sprühnebel ein. Und dann wandelt sich unser Umfeld: Der Wald lichtet sich, schon bald sind wir auf baumlosem Gelände unterwegs, das bis auf da und dort weidende Schafherden dem Einfluss des Menschen komplett entzogen ist. Müde und glücklich erreichen wir schließlich die Clarahütte, umgeben von mit Felsbrocken gespickten Hängen - auf dieser Etappe die wirklich einzige Übernachtungsmöglichkeit.
Heute, an unserem letzten Tag, tauchen wir komplett in die Gletscherlandschaft ein. Das Umland wird steil und karg werden, das Wasser unserer Isel eisig. Erst durchwandern wir blumenbedeckte, mit einzelnen Steinen gespickte Matten, dann eine Geländestufe, die noch vor wenigen Jahrzehnten vom Gletschereis bedeckt war. Hier betreten wir die arktische Klimazone – und das sonnige Lienz ist ganz weit weg. Auf 2.500 Metern Seehöhe erreichen wir schließlich die Gletscherzunge, und damit den Geburtsort der Isel, wo das blanke Eis langsam in grünblaues Wasser übergeht. Der eisige Luftzug des Umbalkees versetzt einen in eine andere Welt und wir realisieren, dass wir nun die gesamte Isel erlebt haben, vom behäbigen Alter im Rücklauf bis zur Geburt. Nun heißt es zurück nach Ströden zu wandern, von wo uns der Bus wieder nach Lienz bringt. Wir verabschieden uns innerlich von der Isel, die uns die schönste erste Weitwanderung beschert hat, die man sich wünschen kann.
Auf dem Rückweg nach Ströden:
Zurück in Lienz gibt eine große Vielfalt an Hotels, Pensionen und Privatzimmern für die Nächte nach der Wanderung.
Mehrtagestouren, Weitwandern und Trekking werden oft synonym für alle Wanderungen verwendet, die in mehreren Etappen und über mehrere Tage verteilt stattfinden. Teilweise bezeichnet der Begriff “Mehrtagestour” auch nur kürzere Wanderungen (2-5 Tage), während “Weitwandern” eher für längere Touren gebraucht wird. Beim “Trekking” erwandert man meist wenig besiedelte Gebiete abseits der Zivilisation und benötigt entsprechend mehr Ausrüstung.
Der Iseltrail ist ein Weitwanderweg in Osttirol, der im Juli 2020 eröffnet wurde. Er verläuft entlang des gesamten Flusslaufes der Isel, dem längsten frei fließenden Gletscherfluss der Alpen. Er ist 73,5 km lang und kann in 5 (oder mehr) Etappen begangen werden. Entlang des Weges erlebt man die verschiedensten Landschaften, vom sonnigen Talboden über tosende Wasserfälle bis hin zum Isel-Ursprung an der Gletscherzunge. Das Besondere am Iseltrail ist der Grundgedanke, dass er in erster Linie nicht ein „einfaches Wandern“ ermöglicht, sondern dass hier die unberührte Natur so erlebt werden kann, wie sie nun mal ist – auch wenn das nicht immer bequem ist.
Vor der ersten Weitwanderung sollte man seine Kondition bei längeren Tageswanderungen mit schwerem Rucksack testen und eine nicht zu schwierige Strecke auswählen. Eine gute Möglichkeit für Anfänger ist es auch, an einem oder mehreren der Stopps Pausentage einzulegen.