Im Auftrag des Kaisers: Aquarelle aus Österreich in der Albertina
Kaiser Ferdinand I. war von 1835 bis 1848 Kaiser von Österreich, König von Böhmen, Ungarn, Kroatien, Lombardei und Venetien. Die Albertina Wien würdigte in einer eigenen Ausstellung unter dem Titel „Im Auftrag des Kaisers“ im Jahre 2010 diesen bis heute erhaltenen kaiserlichen Kunstauftrag. Von den fast 300 bildhaft ausgeführten Aquarellen bewahrt die Albertina 227 Werke auf.
Von der privaten kaiserlichen Kunstsammlung in die Albertina
Kronprinz Ferdinand I. besaß wie sein Vater Kaiser Franz I. eine eigene Kunstsammlung, die in seinen erzherzoglichen Privatgemächern untergebracht war. Sie bestand aus Landschaftsdarstellungen, historischen Ansichten, Porträts und Genreszenen herausragender österreichischer Künstler*innen. Kaiser Ferdinand I. ging als der „Gütige“ in die Geschichtsbücher ein. Führungs- und Entscheidungsschwäche wurden ihm nachgesagt. Dennoch sprach er fünf Sprachen, beherrschte zwei Musikinstrumente, zeigte großes Interesse für die Modernisierung der Landwirtschaft, sowie Technologien und Wissenschaft. Wunderschöne Landschaften, Orte und Städte zierten das große Kaiserreich und so kam es, dass Ferdinand I. die besten und bekanntesten Aquarellist*innen ersuchte, ein Bilderbuch von Österreich zu liefern. Um 1833 beauftragte er die Maler Jakob und Rudolf von Alt (Vater und Sohn) mit der Anfertigung von Landschafts- und Stadtansichten in Aquarelltechnik für einen Guckkasten. Der Großteil der Aquarelle gelangte 1921 in die grafische Sammlung der Albertina in Wien. Die Ansicht der bildhaften Aquarelle über den Guckkasten hatte den Effekt, dass die Wirkung des Meisterwerkes dabei verstärkt wurde. Noch heute kann man diese Werke von Jakob und Rudolf von Alt durch den Guckkasten in der Albertina betrachten. In der Fachsprache nennt man dies „Guckkastenblatt“ und „Guckkastenansicht“. Die Bilder wurden mittels optischer Linsen und Lichtquellen lebendiger und aufregender für die Betrachter*innen gemacht. So wollte Kaiser Ferdinand I. die Szenen aus seiner Monarchie erleben.
Im Auftrag Kaisers: Die Ausstellung in der Albertina
Wir schreiben das Jahr 1833. Kaiser Ferdinand I. regiert das Kaiserreich – nicht immer ohne Probleme. Seinen Führungsschwächen verdankte er den Spitznamen Ferdinand der Gütige, wobei im Volksmund bald daraus „Gütinand der Fertige“ wurde. Auch wenn er keine große Führungspersönlichkeit war, so war er doch eines: ein wahrhaftiger Liebhaber der schönen Künste. So kam es, dass er die anerkanntesten Aquarellmaler seiner Zeit – Eduard Gurk, Jakob und Rudolf von Alt und Leander Russ – beauftragte, die schönsten Plätze der österreichischen Monarchie und seiner Nachbarländer auf die Leinwand zu bringen. Aus den insgesamt über 300 Werken, die im Zuge dieser Beauftragung erschienen sind, zeigte die Sonderausstellung „Im Auftrag des Kaisers“ 80 dieser Werke zum ersten Mal. Darunter die schönsten Plätze rund um Wien, das Salzkammergut bis nach Mariazell sowie Rom.
Wer waren Jakob und Rudolf von Alt?
Das Meisterwerk: Der Residenzplatz in Salzburg
Das Aquarell „Der Residenzplatz in Salzburg“ ist 1844 entstanden. Die Ansicht zeigt uns den Platz gegen Osten in Richtung der Neuen Residenz. Die Neue Residenz wurde 1595 erbaut. In der Mitte blicken wir auf den Residenzbrunnen, der von 1656 bis 1661 erbaut wurde. Links steht die Michaelskirche und im rechten Teil des Bildes steht das Querhaus des Domes. Diese Ansicht des Salzburger Residenzplatzes ist heute genauso erhalten. Der Neue Residenzplatz, so wie man ihn auf dem Aquarell von Jakob und Rudolf von Alt sehen kann, ist 1604 von Vicenzo Scamozzi im Auftrag des damaligen Fürsterzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau gestaltet und ausgebaut worden. Damals mussten 55 mittelalterliche Häuser weichen, um Platz für den Neuen Residenzplatz zu schaffen, doch es machte sich bezahlt: Auch heute noch gilt der Brunnen im Zentrum des Platzes als eines der bedeutendsten Barockdenkmäler Europas.
Der Residenzplatz damals
Das Bürgerleben Salzburgs um 1844 wird durch die Einzelheiten auf dem Aquarell sichtbar und deutlich gemacht: Herren im Gehrock mit Zylinder und Damen in Empirekleidern schreiten über den noch nicht gepflasterten Platz. Die grünen Bäume deuten darauf hin, dass Jakob und Rudolf von Alt im Frühjahr bzw. Sommer das Aquarell gemalt haben.
Der in der Mitte stehende barocke Residenzbrunnen wurde zwischen 1656 bis 1661 von Tommaso di Garona im Auftrag des Fürsterzbischofs Guidobald Graf von Thun und Hohenstein erbaut. Der Blick auf das Bild durch den Guckkasten in der Albertina erlaubt es, Schärfen und Details zu erkennen, die dank der Lichtlinsentechnik besondere Effekte und Lichtschatten hervorheben.
Der Residenzplatz heute
Die Pracht des Residenzplatzes hat über die Jahre Stand gehalten und so ist auch heute die Atmosphäre genauso wie damals. Die Ansicht auf dem Kunstwerk von Rudolf von Alt kann somit mit einer einfachen Handykamera festgehalten werden. Für alle, die besonders gerne zeichnen, kann natürlich auch auf den Spuren des Meisters ein eigenes Kunstwerk kreiert werden. Lasst euch inspirieren und holt das Werk von damals ins Heute.
Im Laufe des Jahres finden am Residenzplatz vor allem Musikveranstaltungen statt. In der Adventzeit verwandelt sich der eindrucksvolle Platz in Salzburg zu einem wahren Wintertraum. Am Christkindlmarkt mit einer Tasse Glühwein in der Hand und Weihnachtsmusik im Ohr kommen alle Besucher*innen in Weihnachtsstimmung. Erklingt gerade keine Musik an diesem prächtigen Platz, finden auch Sportevents hier statt. Fest steht: Hier am Residenzplatz ist immer etwas los!
Picasso, Dürer, Rembrandt: Willkommen in der Albertina
Vom Schauplatz „im“ Meisterwerk geht es nun zum Schauplatz „ums“ Meisterwerk: die Albertina. Im meistbesuchten Museum Österreichs wird Kunstgeschichte erlebbar gemacht. Neben den weltbekannten Werken großer Meister*innen, wie Albrecht Dürers „Feldhase“, befindet sich im Palais-Gebäude mit über einer Million Druckgrafiken die größte grafische Sammlung der Welt. Von der Spätgotik bis zur zeitgenössischen Moderne umfasst die Sammlung Werke von Michelangelo Buonarroti, Leonardo da Vinci, Egon Schiele, Gustav Klimt und Pablo Picasso. Ständig werden die Ausstellungen der Albertina erweitert: durch Ankäufe von Spitzenwerken der internationalen Gegenwartskunst, aber auch durch Dauerleihgaben wie zuletzt von dem Sammlerehepaar Rita und Herbert Batliner, die über 500 Werke unbefristet zur Verfügung stellten. Eine Zeitreise durch die so vielseitige Kunstgeschichte wartet in der Albertina.
Die Prunkräume der Habsburgerfamilie
In dem prunkvollen Bau findet sich Kunstwerke, aber auch habsburgische Prunkräume. Auch 250 Jahre nachdem das Gründerehepaar der Albertina – Herzog Albert von Sachsen-Teschen und seine Frau Marie-Christine – dort eingezogen sind, ist das imperiale Flair zu spüren. Die hohen Decken, Wandbespannungen aus Seide und das prunkvolle Interieur machen dies ebenso spürbar wie die originalen Intarsienböden. Die wertvollen Möbel wurden in der Zwischenkriegszeit von Erzherzog Friedrich verkauft und so weltweit verstreut. Ab 2000 begann der Rückkauf der Original-Einrichtungsgegenstände, um sie wieder in der Albertina zu vereinen. Dort können sie auch heute bewundert werden. Nach der Erkundungstour durch die Prunkräume steht eines außer Frage: Hier lässt es sich leben.
Wer lebt heute in der Albertina?
Heute lebt kein Kaiser und auch kein Erzherzog mehr in der Albertina. Dennoch gibt es eine enge Verbindung des spanischen Königshauses mit der Albertina. Marie-Christine von Habsburg-Lothringen war die zweite Frau von Alfonso XII. und hat nach dem Tod des Königs bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes Alfonso XIII. von 1885 bis 1902 Spanien sogar regiert. Somit ist Marie-Christine die Ururgroßmutter des heutigen spanischen Königs Felipe VI. Durch diese royale Verbindung ergibt sich eine weitere Kuriosität: Wenn der spanische König Österreich besucht, würde ihm die Albertina als Residenz für den Aufenthalt zustehen.
Albertina Modern: Das neueste Museum für moderne Kunst
Ein Spaziergang von etwa zehn Minuten trennt das Damals vom Heute. 2020 hat die Albertina mit der „Albertina Modern“ Zuwachs bekommen. Am neuen Standort des Museums werden auf 2.000 Quadratmetern Werke von der Nachkriegszeit (ab 1945) bis heute ausgestellt. Als Gegensatz zu den großen Meister*innen vergangener Zeiten steht hier die Gegenwartskunst im Vordergrund. Werke österreichischer Künstler*innen wie Erwin Wurm, Arnulf Rainer oder Maria Lassnig werden in einer eigenen Sammlung der österreichischen Kunst dem Publikum zur Schau gestellt. In der internationalen Sammlung finden sich Namen wie Andy Warhol, Eric Fischl, Cindy Sherman und Ross Bleckner wieder. Insgesamt können so über 60.000 Werke betrachtet und immer wieder neu entdeckt werden.