Hundertwasserhaus
Der Künstler fasste das Wohnbauprojekt als „eine Art Skulptur“ auf und realisierte 1985 einen der ungewöhnlichsten Sozialbauten der Welt.
Nicht nur sein unkonventionelles, farbenprächtiges Oeuvre wurde durch sinnliche Erfahrungen und die Natur inspiriert, auch seine ganze Lebensphilosophie fand im Einklang mit der Natur statt.
Es ist fünf Uhr früh und Thomas Zelenka beginnt seinen Arbeitstag. Er ist Imker und betreut einige Dutzend Bienenstöcke in Wien. Zwei seiner Bienenvölker residieren im naturbelassenen Dachgarten des KUNST HAUS WIEN, das dem Leben und Werk des Künstlers Friedensreich Hundertwasser gewidmet ist. „Ein wahrer Dschungel mitten in der Stadt, genau das wünschen sich meine Bienen! Erst kürzlich untersuchten die Künstlerinnen RESANITA für die Ausstellung ,Das Haus als Wirt‘ die Biodiversität des Museums: Sie kamen auf unglaubliche 260 verschiedene Pflanzenarten!“, so Zelenka.
Während der Imker seine Bienen umsorgt, spricht er voll Bewunderung über Hundertwasser: „Er war schon in den 1950er- und 60er-Jahren fest davon überzeugt, dass die Zukunft des Menschen auf Dauer nur im Einklang mit der Natur möglich ist und hat auch selbst Zeit seines Lebens danach gelebt. Heute ist in unserer westlichen Welt die Sehnsucht nach Erdung, Naturnähe, Entschleunigung größer denn je. Hundertwasser hat den Weg gezeigt.“
Die nüchterne, geradlinige Nachkriegsarchitektur war dem sinnlich empfindenden Künstler ein Greuel. Er fand Inspiration in der geschwungenen, farbenfrohen Architektur des Katalanen Antoni Gaudί, aber auch beim französischen Autodidakten Facteur Cheval.
Hundertwasser war überzeugt, dass die gerade Linie, der rechte Winkel, der ebene Fußboden, die sterile Regelmäßigkeit der Fenster Elemente seien, die dem Wesen des Menschen nicht entsprechen und ihn geradezu krank machten.
Gebäude sind, nach Hundertwassers Auffassung, nach der Epidermis und der Kleidung die dritte Haut des Menschen. Dementsprechend sollte der Mensch individuell gestalterisch auf seine Wohnung Einfluss haben können.
Der Künstler fasste das Wohnbauprojekt als „eine Art Skulptur“ auf und realisierte 1985 einen der ungewöhnlichsten Sozialbauten der Welt.
Das Thermaldorf Rogner Bad Blumau in der Steiermark gilt als eines der gelungensten Projekte des Öko-Künstlers.
Hundertwasser sah sich als „Architektur-Doktor“ und scheute sich nicht, unansehnliche existierende Bauten zu verbessern: „Jedes noch so hässliche und kranke Haus kann geheilt werden.“
Die Kirche aus den 1950er-Jahren wurde vom Künstler fantasievoll umgestaltet. Das Kirchenumfeld schließt auch Symbole von sechs nichtchristlichen Weltreligionen ein.
Bäume, die aus den Fenstern wachsen? Eine fröhlich aufgelockerte Fassade? Ein echter Wald und Bienenstöcke auf dem Dach? Ein Innenbereich ohne Ecken und Kanten und ein wunderbar begrünter Innenhof? Das 1991 geschaffene Museum KUNST HAUS WIEN lädt zu einem erfrischenden Kunstgenuss ein. Hundertwassers Traum von einer Oase in der Großstadt ist Wirklichkeit geworden. Ganz im Sinne des Künstlers war es eine Wiederverwertung eines bereits bestehenden Gebäudes, einer aufgelassenen Möbelfabrik der Firma Thonet.
Bettina Leidl, Direktorin des Museums, erklärt: „In den 70er- und 80er-Jahren beschäftigten sich nur bestimmte Gesellschaftsschichten mit ökologischen Fragen. Heute ist das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir laden ausschließlich Künstler für Ausstellungen ein, die sich mit Themen wie Biodiversität, Recycling, Klimawandel und Nachhaltigkeit auseinandersetzen.“
Durch ihre Bemühungen, sowohl im Ausstellungsprogramm als auch im operativen Bereich nachhaltig zu agieren, wurde der Kulturinstitution 2018 das Österreichische Umweltzeichen verliehen. Das KUNST HAUS WIEN ist somit das erste „Grüne Museum“ des Landes und führt die kritische Auseinandersetzung Hundertwassers mit der Rolle des Menschen im Kreislauf der Natur zukunftsorientiert weiter.
Der junge Friedrich Stowasser begann früh, sich künstlerisch auszudrücken. Im Schulzeugnis wurde sein „außergewöhnlicher Farben- und Formsinn“ betont. Wie durch ein Wunder überlebten Mutter und Sohn die Wirren des Krieges, obwohl die Mutter jüdischer Abstammung war und zahlreiche Personen der erweiterten Familie durch das Hitlerregime umkamen. Trotz der Schrecken des Krieges zeichnete und malte der Junge märchenhafte Landschaften mit satten Farben, herrlichen Wäldern, paradiesischen Welten.
Hundertwasser setzte sich zeitlebens für Umweltfragen, Naturschutz und eine humane Architektur ein. Er gestaltete zahlreiche Poster zur Unterstützung von Organisationen wie Greenpeace und die Jacques-Cousteau-Gesellschaft.
Der Künstler lebte selbst recht bescheiden nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit, er betrieb Recycling, bevor es zum Trend wurde, pflanzte auf seinen Reisen an die 100.000 Bäume, nutzte Wasser- und Sonnenenergie in seinen Refugien, installierte Humustoiletten und Biotope. Er fertigte viele seiner Farben nach eigenen Rezepten an und machte sich grundsätzlich viele Gedanken zum Platz des Menschen im Kreislauf der Natur – bis zu seinem Tod im Jahr 2000, wo er in Neuseeland nach eigenem Wunsch seine letzte Ruhestätte unter einem Baum fand.