Wandern, Radeln, Laufen – Vom Glück der Bewegung in der Natur
Bewegung in der Natur macht uns gelassener, gesünder und glücklicher. Warum sich Forscher sicher sind, dass uns Sport in der Natur einen Glücks-Kick gibt.
Eine Gebirgswanderung ist mehr als eine Reise von einem Start- zu einem Zielpunkt. Peter Habeler, der österreichische Extrembergsteiger, sagte einst: „Gehen, sich bewegen, auf einen Berg steigen und wieder absteigen – das ist eine Parallele zum Leben.“
Wir nehmen euch mit auf eine gedankenreiche Wanderung, die uns von Innsbruck aus durch einen Teil des Karwendelgebirges führte und anders endete als geplant. Denn wie Habeler sagte, hat Wandern viel mit dem Leben gemeinsam.
Den Rucksack gepackt, die Wanderschuhe geschnürt gehen wir durchs Zentrum von Innsbruck. In manch einer Stadt wären wir in unserer Outdoorbekleidung ein seltener Anblick. Hier fällt dies nicht auf. Ja, es gehört geradezu zum Ortsbild der Alpenstadt. Wie auch die Bergbahnstation der Hungerburgbahn. So steigen wir im Stadtzentrum ein und fahren und gondeln hoch in Richtung Hafelekarspitze, mit 2.334 m der höchste Gipfel der Innsbrucker Nordkette.
Und während sich die Menschen und die Häuser immer mehr von uns entfernen und kleiner werden, geschieht noch etwas. Auch unser Alltag entfernt sich immer mehr von uns. Denn dieser spielt sich dort unten in der Zivilisation ab, wir aber peilen an, was seit Generationen ein Sehnsuchtsort ist: den Gipfel eines Berges.
So kommt es, dass in kürzester Zeit alles was soeben noch wichtig und dringlich erschien, immer kleiner wird und, zumindest für den Moment, an Bedeutung verliert.
Wie es der österreichische Bergsteiger Heinrich Harrer einst formulierte: „Wenn ich die Zivilisation hinter mir lasse, fühle ich mich sicher.“
Oder noch dramatischer sagt der österreichische Alpinist Hermann Buhl: „Wir leben in einer Zeit, wo jedem von uns durch gesetzliche Bestimmungen und gesellschaftliche Regelungen die Freiheit genommen ist. Man sucht einen Ausweg aus dieser Zwangsjacke der Zivilisation und flieht in die Ruhe und Abgeschiedenheit der Berge.“
Spannend ist, dass er dies bereits Mitte des letzten Jahrhunderts von sich gab. Berge symbolisierten demnach damals wie heute die Freiheit. Das bestätigt auch das Zitat der österreichischen Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner. Es macht klar, dass das Verlassen des Alltags ein starker Antrieb ist, die Berge aufzusuchen:
Hier oben fühle ich mich frei, ich kann alle Verpflichtungen hinter mir lassen. Am Berg habe ich ein anderes Lebensgefühl als im Tal. Das Bergsteigen ist einfach mein Leben.
Die Sonne scheint, ein angenehm kühles Lüftchen geht und wir sind umringt von Giganten. Die beeindruckende Bergkulisse entlockt uns die ein oder andere Superlative. Wir folgen dem schmalen Pfad und bestaunen die schroffe und kahle Berglandschaft. Immer wieder fällt der Weg steil ab. Der Blick fällt nur noch in menschenverlassene Natur. Das Karwendelgebirge besteht hauptsächlich aus Kalkstein und Dolomit, was ihm einen archaischen, ursprünglichen Charakter verleiht. Und widerspiegelt, was Berggänger seit jeher fasziniert: Ehrlichkeit, Authentizität, ja einen Ort, an dem nichts falsch ist.
Es kommt nicht von ungefähr, dass der Mensch einzelne Berge als Orte der Spiritualität sieht. Im Christentum spielte der Berg Sinai eine wichtige Rolle. Es war der Ort, wo Moses von Gott die Zehn Gebote erhielt. In fernöstlichen Religionen gilt der Berg Kailash als derart heilig, dass man ihn bis heute nicht besteigen darf. Der Olymp war der Sitz der griechischen Götter und in Australien verehren die Aborigines den Uluru (Ayers Rock) als Ort der Spiritualität. Die Liste heiliger Berge ist lang. Und die Verklärung der Berge wird auch abseits der Religionen zelebriert. Verantwortlich dafür ist das Aufkommen des Bergtourismus ab Mitte des 19. Jahrhunderts, weitergeführt wird er von uns allen, auf Instagram & Co.
Die nahende Pfeishütte steigert unsere bereits gute Stimmung. Wir freuen uns auf leckere Knödel und ein erfrischendes Getränk. Und vertreiben uns die Zeit bis dahin mit Lachen, aber auch mit träumen und Pläne schmieden. Es ist interessant, hier, wo wir zu zweit alleine sind, lebt der Gemeinschaftssinn auf. Es ist oft einfacher, sich in einer abgelegenen Gegend wie einem Berggebiet auf ein Gegenüber einzulassen, als dort, wo es von Menschen wimmelt. Gemeinschaft hat wenig mit der Gruppengröße oder der Anzahl von Personen, die sich an einem Ort befinden, zu tun. Vielmehr mit der Abwesenheit von Ablenkung.
Doch wir haben unterwegs wohl zu viel geträumt und gelacht. Dabei die Zeit vergessen. Und uns vor der Pfeishütte zu lange das Gesicht von der Sonne küssen lassen. Es ist die gut gelaunte Bedienung, die uns in die Realität zurückholt. Die letzte Gondel vom Hafelekar fahre bereits in gut einer Stunde. „Die erreicht ihr unmöglich.“ Aber es gäbe einen Weg. Doch dieser sei steil, führe hunderte Meter über Geröllfelder. Man könne sagen, er sei ziemlich abenteuerlich. Nun, was bleibt uns anderes übrig. Aber wie gesagt, eine Gebirgswanderung hat viel mit dem Leben zu tun. Und beim Wandern scheint es wie im Leben zu sein: Ein Abenteuer beginnt oft dort, wo sich Ungewissheit auftut.
Nun ging am Ende alles gut aus. Wir erreichten Innsbruck mit allem, was es für einen zünftigen Muskelkater am nächsten Tag braucht. Aber auch mit einer erfüllenden Zufriedenheit und einem Glücksgefühl. Und der Erkenntnis, dass bleibende Erinnerungen meist da entstehen, wo nicht alles nach Plan läuft. Denn über diesen Tag im Karwendelgebirge sprechen wir auch Monate später noch.
Der Schweizer Reisejournalist Martin Hoch bereiste die Welt für mehr als sieben Jahre. Seine Zeit unterwegs prägte sein heutiges Schaffen. Dabei treibt ihn die Liebe zur Natur an. Als freischaffender Journalist publiziert er regelmäßig in Zeitungen und international bekannten Magazinen.
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