Ein Hoch auf Österreichs Haubenköch*innen
Kleines Land, großartige Köch*innen: Die Dichte an charismatischen, kreativen Top-Gastronom*innen in Österreich ist beachtlich.
Zwei Sterne im Stadtpark: Der Koch Heinz Reitbauer steht für viele erfolgreiche Jahre als Starchef und geschmackvolle Teller – fürs Auge und für den Gaumen. Aber auch für viele Stunden akribisches Pilzesammeln im Wienerwald. Was es mit dem Forschergeist des Wahlwieners auf sich hat, erfahrt ihr hier.
„Als ein Landwirt vor vielen Jahren zu mir sagte, dass er mir seine Produkte am liebsten nicht verkaufen würde, war ich erstmal sprachlos“, erzählt Heinz Reitbauer. Mitten im Wiener Stadtpark steht sein Restaurant, das von außen eher an einen verspiegelten Pavillon als an ein Spitzenrestaurant erinnert.
Auf seine Teller kommen Lebensmittel aus der familieneigenen Landwirtschaft in der Steiermark – genauer vom Pogusch – und aus der direkten Umgebung von Wien. Sein Restaurant ist nicht nur mit zwei Sternen hochdekoriert, sondern steht auch international auf Platz 17 der „The World's 50 Best Restaurants“-Liste. Wäre es da nicht eigentlich eine Ehre, mit ihm zusammenzuarbeiten?
„Nein, der Produzent erklärte es so: Bei den Spitzenköchen würde man nach dem Kochen die Produkte nicht mehr erkennen. Lebensmittel würden verändert, verpufft, zersetzt, auseinandergenommen. Ihm tat es leid, dass man seine Karotte oder seinen Kohlrabi gar nicht mehr erkennen kann. Das hat mich zum Nachdenken gebracht“, berichtet Reitbauer.
„Seitdem ist eine Leitlinie im Steirereck, dass Produzenten ihre Produkte im fertigen Gericht noch erkennen und sich somit auch mit uns identifizieren können.“
Als Profi im Geschäft weiß er, dass junge Köch*innen immer nach dem Besonderen suchen, aber dabei übersehen, was das Besondere ist: „Unter dem Druck oder gar Zwang, immer etwas Neues schaffen zu wollen, vergessen Köche manchmal, dass der Mittelpunkt in der Küche doch das Produkt ist.“
In seiner Jugend lernte er die Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln von französischen Spitzenköch*innen. Mit Alain Chapel – dem Urheber der Nouvelle Cuisine – ging er morgens um 4 Uhr zum Markt, von Alain Ducasse erfuhr er, was Respekt gegenüber Lieferant*innen und Produkten bedeutet. „Diese Freude, die meine französischen Vorbilder empfunden haben, ist etwas ganz Besonderes“, schwärmt Heinz Reitbauer von seiner Zeit in Frankreich.
Aber zurück nach Wien: Das Steirereck ist nicht nur architektonisch ein Hotspot für Städtereisende. Hier treffen sich Foodies, Sternerestaurant-Sammler*innen und Produktverliebte. Alle wollen einen Teller des Zwei-Sterne-Kochs sehen, alle wollen ein Gericht von ihm probieren. Bei Heinz Reitbauer und seiner Frau Birgit sind alle willkommen.
Für ihn ist es eine Freude zu kochen, das hat er besonders im letzten Jahr gespürt: „Was wir für ein Glück haben. Das merkt man erst, wenn man gezwungen ist, das Lokal zu schließen.“ Ganz aufgehört zu arbeiten hat der 51-Jährige aber nicht: Gemeinsam mit seinem Team kochte er für die Einsatzkräfte in Wien 1.000 Essen pro Tag während des ersten Lockdowns.
Die Vielfalt im Brotwagen – mit rund 25 Sorten – ist ein erstes Indiz für die intensive Forschungsarbeit des Zwei-Sterne-Kochs. Heinz Reitbauer gibt sich nicht damit zufrieden, eine gute Zutat für ein neues Gericht zu finden; sein Ziel ist es, mit akribischem Forschergeist einen Apfel, ein Stück Fleisch, einen Pilz zu „verstehen“.
Dafür nimmt er sich viel Zeit, in der er dem Lebensmittel Aufmerksamkeit schenkt. Meist sogar bis zu zwei Jahre. Bis vor Kurzem waren es Pilze, besonders Großpilze aus dem Wienerwald. Damals kraxelte er vom Wienerwald bis zum Pogusch umher, um alles über die Beschaffenheit und den Geschmack der Pilze zu erfahren.
Als Zwei-Sterne-Koch ist es für Heinz Reitbauer wichtig, dass das Restaurant Steirereck mit dem Gütesiegel AMA GENUSS REGION ausgezeichnet ist. Das Siegel steht für die geprüfte Qualitäts- und Herkunftssicherung und damit genau für das, wofür Heinz Reitbauer mit seiner Leidenschaft für österreichische Lebensmittel steht.
Der Ästige Stachelbart zählt übrigens zu den Gourmet-Steinpilzen, steht aber unter Naturschutz. Heinz Reitbauer hat deshalb begonnen, den Pilz wieder zu kultivieren. Nicht nur wegen des ausgezeichneten Geschmacks, sondern auch, um einen Beitrag zur Artenvielfalt und erneuten Etablierung zu leisten. Denn die gesunde Natur ist für Heinz Reitbauer die Basis seiner Arbeit. „Mich beeindruckt es sehr, wie stark ein gesunder Boden den Geschmack eines Apfels oder eines Pilzes beeinflusst.“
Aktuell fokussiert er sich auf Streuobst. „Dadurch komme ich mit sehr spannenden Leuten aus der Region oder vom Fach zusammen, die sich viel besser auskennen, und lerne ständig etwas Neues über Anbau, Güte und Reifezeiten dazu“, erklärt Heinz Reitbauer. Dann spricht er mit einem alteingesessenen Bauern über den Schutz der Pflanzen oder mit einem Ernährungswissenschaftler über die Wirksamkeit von Bakterien auf den Darm.
„Meine Erkenntnisse fließen in unsere Arbeit im Restaurant genauso ein wie in die eigene Landwirtschaft.“ Dort wachsen nämlich jetzt 80 alte Apfelsorten – vom intensiv duftenden Cox Orange bis zum saftig-säuerlichen Champagner Renette – und landen neben anderen Spitzenprodukten des Landes im Zwei-Sterne-Restaurant als Püree, Eis oder Crème auf den Tellern der Gäste.
Am Heumarkt 2A
1030 Wien
Österreich
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