Die wichtigsten Tipps für Anfänger beim Bergwandern
Wandern ist cool und liegt voll im Trend. Immer mehr Neueinsteiger wagen sich auf den Berg. Vielleicht plant auch ihr schon erste Tagestouren in alpinem Gelände für euren Urlaub? Weil ihr als Anfänger beim Bergwandern einiges falsch machen könnt, geben wir euch Tipps für den Einstieg.
„Das Wandern und Bergwandern hat auch die Jugend voll ergriffen“, sagt Michael Larcher, 61 Jahre alt und Leiter der Abteilung Bergsport beim Österreichischen Alpenverein. „Das ist interessant, denn als ich jung war, war Wandern kein Sport für Junge. Es war eher etwas für Senioren in rot-weiß karierten Hemden und Lederhosen. Spießer eben, von denen man sich lieber abgegrenzt hat. Das war überhaupt nicht cool. Und jetzt ist es wirklich in. Und die Leute gehen Wandern – oft auch junge Frauen untereinander. Man schaut gut aus, hat eine tolle Ausrüstung, die Mode macht auch mit.“ Für Michael Larcher entspricht das dem Zeitgeist.
Wandern ist aber nicht nur cool geworden, sondern führt auch dazu, dass der Alpenverein einen Anstieg in der Zahl der Bergrettungseinsätze verzeichnet, wenngleich die Anzahl tödlicher Unfälle zum Glück abnimmt. Den Neulingen am Berg fehlt oft die Erfahrung, und so geraten sie schneller in Notlagen. Zwar bedeuten diese meist nur Erschöpfung, dass man nicht mehr vor oder zurück kommt, oder sich schlichtweg verlaufen hat. Doch das Handy ist dann schnell gezückt, um die Rettung zu rufen und das führt eben auch zu mehr Einsätzen.
„Für uns ist es ein Erfolg, wenn die Unfallzahlen nicht in dem Maß steigen wie die Zahl der Aktiven“, meint Michael Larcher und teilt seine Tipps mit uns, mit denen sich typische Fehler und somit auch Notlagen und Rettungseinsätze vermeiden lassen.
Der Übergang vom Spaziergänger zum Bergwanderer
Darauf kommt es beim Bergwandern an
Michael Larcher verrät uns, dass beim Bergwandern das Wetter ein ganz zentraler Punkt ist, aber auch die entsprechende Ausrüstung. Einen guten Zeitplan zu haben ist ebenfalls wichtig, und vor allem müsst ihr auch wissen, ob ihr der geplanten Tour gewachsen seid. „Bin ich gesund und bin ich fit? Es gilt einfach immer: Klein beginnen und dann steigern. Je mehr es vom Spazierengehen übers Wandern zum Bergwandern geht, umso mehr nehmen auch der Abenteueranteil und die Ungewissheit zu. Die ehrliche Selbsteinschätzung ist zentral!“
Vier Dinge, die beim Bergwandern wichtig sind
1. Heiter bis wolkig: das Wetter im Blick
Vor und während einer Wanderung solltet ihr immer das Wetter im Blick behalten, zum Beispiel mit der App Meteoblue. Auch die Website der ZAMG sowie deren App wetter.zone sind gute Anlaufstellen. So lassen sich böse Überraschungen, wie in einen Wetterumsturz zu geraten, vermeiden. Sollte sich das Wetter dennoch plötzlich ändern, schätzt ab, ob eine Hütte oder Unterkunft in Reichweite ist. Falls nicht, solltet ihr die Tour abbrechen und denselben markierten Weg zurück zum Ausgangspunkt nehmen.
2. Ich packe meinen Wanderrucksack und da kommt rein
„Der Schlüssel zum Erfolg beim Bergwandern sind richtig gute Wanderschuhe“, sagt Michael Larcher. Besonders wichtig ist aber auch, was in den Wanderrucksack gehört. Dabei haben solltet ihr ausreichenden Schutz vor Kälte und Nässe (Funktionsbekleidung, die wind- und wasserdicht sowie atmungsaktiv ist) und Sonnenschutz (Kopfbedeckung, hochwertige Sonnenbrille, Sonnencreme). Das Smartphone ist wichtig, um Notrufe absetzen zu können (Euro-Notruf 112 oder in Österreich die 140 für die Bergrettung) und ebenso ein Erste Hilfe-Paket. Außerdem ist eine kleine Stirn-Notlampe sinnvoll, sowie mindestens ein Liter Wasser pro Person und Studentenfutter bzw. Frucht- oder Müsliriegel.
3. Faustregel: Der frühe Vogel meidet Hitze, Gewitter und Dunkelheit
In jeder guten Beschreibung wird angegeben, wie lang eine Tour durchschnittlich dauert. Wegzeiten muss also eigentlich niemand selbst berechnen. Dennoch gibt es eine Faustregel, die vor allem im Sommer wichtig ist. Denn da solltet ihr rechtzeitig aufbrechen, weil es sich in den kühlen Morgenstunden sehr viel leichter geht. Michaels Tipp: „Zwei Drittel der Zeit, die für eine Wanderung angegeben ist, sollten vor 12 Uhr absolviert werden. Für eine sechsstündige Tour heißt das: zwei Drittel wären vier Stunden – da starte ich um 8 Uhr. Spätestens.“ Im Sommer weicht ihr so nicht nur der Hitze, sondern auch der Gefahr von Gewittern aus, die eher in den Nachmittags- oder Abendstunden stattfinden. Ein weiterer Grund ist, dass ihr nicht erst im Dunkeln zurückkommt.
4. Gute Selbsteinschätzung oder warum der Weg das Ziel sein sollte
Überforderung am ersten Urlaubstag und zu ehrgeizige Ziele treiben nicht nur den Puls nach oben, sondern gehen hin und wieder leider oft nicht gut aus. Michael Larcher plädiert deshalb für eine ehrliche Selbsteinschätzung und eine Strategie, bei der ihr euch langsam an die eigenen Grenzen und Möglichkeiten herantastet und reflektiert, was denn eigentlich euer Ziel ist. Damit meint er nicht räumlich, sondern vielmehr die Frage: „Was will ich denn? Will ich trainieren, will ich mich verausgaben, will ich mich erschöpfen oder will ich etwas erleben? Für die Allermeisten geht es um ein schönes Erlebnis und entsprechend sollten die Ziele gesetzt werden.“ Für Michael sieht die optimale Herangehensweise so aus: Ihr solltet richtig ausgerüstet sein und den Wetterbericht im Hinterkopf haben. Geht mit Partnern, die ihr kennt und über deren Leistungsfähigkeit und Risikobereitschaft ihr Bescheid wisst. Insgesamt sollte – nein – muss eine Gruppe immer auf ihr schwächstes Mitglied Rücksicht nehmen.
Es gibt kaum Sommergewitter, die vor 16 oder 17 Uhr stattfinden. Das heißt, wenn ich vor dieser Zeit wieder in niederen Lagen oder in der Unterkunft bin, wird mich das Thema Gewitter kaum betreffen.“

Was sagt die eigene Kondition dazu?
Selbst wenn klar ist, dass ein schönes Erlebnis im Vordergrund stehen soll, besteht für Anfängerinnen und Anfänger die Gefahr, dass sie ihre Kraft und Fitness falsch einschätzen. Michael empfiehlt deshalb: „Ich würde an den ersten ein bis zwei Tagen nur Touren mit maximal 800 Höhenmeter relativen Höhenunterschied machen, also die Höhenmeter, die zwischen dem Ausgangs- und Endpunkt tatsächlich zurückgelegt werden. Auch ideal sind Touren, wo ich unterwegs die Möglichkeit zur Einkehr habe. Im Sommer gibt es so viele Wandermöglichkeiten, wo es unterwegs eine Berghütte oder eine Alm gibt, die bewirtschaftet ist.” Damit habt ihr einfach auch immer diese Sicherheit, dass ihr euch erholen könnt, und dass ihr nicht zu viele Nahrungsmittel und Wasser mitschleppen müsst.
Wasser könnt ihr nämlich auch bequem unterwegs in den Einkehrmöglichkeiten auffüllen. Oft gibt es unterwegs auch Bauernhöfe oder Almen, auf denen ihr an einem Brunnen an frisches Wasser kommt. Damit vermeidet ihr einen Anfängerfehler: Einen Rucksack, der viel zu schwer ist, weil zu viele unnötige Sachen darin landen.
Tipps von Michael: So findet ihr die passende Tour
Rund ums Wandern gibt es viel Infomaterial, und es gibt kaum eine Tour in den Alpen, die nicht sehr gut beschrieben und dokumentiert ist.
- Hochwertige Wanderführer werden z. B. vom Bergverlag Rother herausgegeben, Wanderkarten gibt es unter anderem bei Freytag & Berndt.
- Online gibt es u. a. das Tourenportal alpenvereinaktiv.com der Alpenvereine von Deutschland, Österreich und Südtirol. Geschulte Autoren haben hier über 12.000 Tourenvorschläge veröffentlicht. Hinzu kommen weitere tausende aus der Community.
- Im Urlaubsort könnt ihr in der Tourismusinfo nach Touren- und Wandervorschlägen fragen.
- Besonderer Einsteigertipp von Michael: Jedes Hotel kann kurzfristig geführte Touren mit ausgebildeten Bergwanderführern vermitteln. Der Vorteil: Ihr seid betreut, werdet an die schönsten Plätze geführt, lernt eure eigene Fitness einzuschätzen und erfahrt vieles über die Kultur und die Natur.
Gefahren, die am Wegesrand lauern
Wetterkapriolen wie plötzliche Umschwünge mit Schnee, Sturm, Nebel, Donner und Blitz sind Risikofaktoren beim Wandern. Aber auch das Gegenteil, die Hitze, ist nicht zu unterschätzen und sollte immer berücksichtigt werden – nicht nur in Punkto Ausrüstung, sondern auch bei der Tourenwahl.
Michaels Tipp: Für den Hochsommer sind Touren, bei denen sehr viele Höhenmeter zu überwinden sind und die rein südseitig exponiert sind, keine gute Idee. Er rät daher, auf Touren zu setzen, bei denen der Aufstieg zumindest teilweise im Schatten liegt. Diese Information über die Ausrichtung sollte jede Tourenbeschreibung enthalten.
Was ebenfalls den Auf-, aber auch den Abstieg betrifft: Während es beim Aufstieg durch Überanstrengung fast ausschließlich zu Herz-Kreislauf-Notfällen kommt, zeigt die Unfallstatistik eindeutig, dass es beim Abstieg deutlich mehr Unfälle gibt. Das sind dann Unfälle durch Stürze, weil Menschen einfach viel besser fürs Aufwärts-, als fürs Abwärtsgehen gebaut sind. Beim Abstieg kommt durch den freien Blick ins Tal gern mal das Gleichgewicht durcheinander und ein Stolpern oder ein kleiner Rutscher führt direkt zum Sturz. Hinzu kommt, dass beim Abstieg die Müdigkeit zu- und die Konzentration abnimmt. Diese Absturzgefährdung wird oft gar nicht richtig erkannt, daher ist eine vorausschauende Geländebeurteilung, die richtige Einschätzung des wechselnden Terrains und der eigenen Geschwindigkeit sehr wichtig.
- Das Wetter vor und während der Wanderung checken.
- Auf die richtige Ausrüstung und gute Wanderschuhe achten.
- Touren passend zur Jahreszeit und Fitness wählen. Langsam starten und dann steigern. In Gruppen auf das schwächste Mitglied Rücksicht nehmen.
- Den Rucksack so leicht wie möglich halten und nichts Unnützes mitschleppen.
- Nahrungsmittel und Wasser nur in Maßen mitnehmen, wenn es unterwegs Einkehrmöglichkeiten gibt.
- Die Zeit im Auge behalten – also rechtzeitig aufbrechen und die kühlen Morgenstunden nutzen.
- Gefahren kennen und aufmerksam sein, denn Bergwandern heißt Abenteuer.
Informationen des Österreichischen Alpenvereins zum Thema Bergwandern
Der Alpenverein hat über 600.000 Mitglieder und betreut allein in Österreich 25.000 Kilometer Wanderwege. Die wichtigsten Aufgaben des ÖAV liegen in der Förderung und Betreuung des Bergsports und im Schutz des alpinen Naturraums.

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Michael Larcher
Michael Larcher ist seit 29 Jahren beim Österreichischen Alpenverein und Leiter der Abteilung Bergsport. Wandern geht er am liebsten im Karwendel, weil er dort lebt, aber auch, weil er die karge Karstlandschaft sehr schätzt. Sein liebster Wanderweg? Das ist der, auf dem er noch nie war. Denn das Spannende am Bergwandern ist für ihn der Effekt des Neuen. Und so ist er auch im Karwendel noch lange nicht alle Wege gegangen, die es dort gibt.